Süddeutsche Zeitung, 27. 10. 2006

 

Tipp des Tages : Islands Geräusche
Eine neue Performance präsentieren die Kraillinger Künstler Augusta und Kalle Laar am heutigen Freitag um 21Uhr im Gautinger Schlosscafé Fußberg: Laar fing Geräusche Islands wie Geysire, Wasserfälle und Glet­scherrauschen per Mikrofon ein und kreiert daraus "Ganz Neue Musik" (Seite 6) SZ

 

Klingende Gletscher
Künstlerpaar Laar arbeitet an Langzeitprojekt mit

Es spendet Leben, birgt Gewalt in sich, fehlt in zu vielen Regionen, kann eine gigantische Energiequelle sein, zeigt uns den Klimawandel ungeschminkt an: Wasser ist das zentrale Element im Leben. Aufgrund seiner vielschichtigen Bedeutung und aktuellen Brisanz mehr denn je, zumal es auch eine empfindliche Schnittstelle zwischen Natur, Wirtschaft, Technologie und Kultur markiert.

Die am Starnberger See lebende Kuratorin Serafine Lindemann erkannte das Potential dieser Berührung und initiierte ein interdisziplinäres, international angelegtes Langzeitprojekt, an dem nun auch das Kraillinger Künstlerehepaar Augusta und Kalle Laar maßgeb­lich beteiligt ist.

Aus einer Idee zum Weltwassertag entwickelte sich eine Reihe von aufeinander aufbauenden Pro­jekten die in der EXPO 2008 im spanischen Zaragoza kulminieren soll: 2002 Gelsenkirchen, 2005 München, 2006 Island, 2007 Ober­bayern und Türkei, 2008 Spanien. Dann soll es weiter gehen, kündigt Lindemann an. "Wir werden einen Kontinentensprung auf jeden Fall angehen", so ihr Plan den sie mit ihrem Münchner Unternehmen Artcircolo stemmen will. Vor wenigen Tagen zog die Karawane um Serafine Lindemann durch Island – mit dabei Kalle Laar.

"Ich war schon vor der Gruppe in Island, um auf die Suche nach Material zu gehen", erklärt der Ton- und Bildkünstler Laar nach der Rückkehr. Auf dem Weg zum Gletscher erlebte er die Urgewalt des Wassers in vielfältiger Weise. Die Tonaufnahmen aus der Geysirlandschaft verblüffen mit ihrer klanglichen Bandbreite, mit der nur die aufwändigsten Synthesizer konkurrieren könnten. Es blubbert, tropft, rieselt, zischt, saust, brodelt. Laar ist immer noch voller Euphorie: "Da hat sich für mich eine völlig neue Klangwelt eröffnet."

Die Aufnahmen beeindrucken mit atemberaubender Dramatik, am Gletscherrand mit friedvoller Schönheit. Einer sehr täuschenden, sei der Gletscher seit letztem Jahr um 100 Meter geschrumpft, berichteten isländische Gletscherexperten, die Laar berieten. Die Bilder vom Gletscherrand zeigen reißende Ströme. Doch auch in Island ist die Problematik mit komplexen Wirtschaftsinteressen verquickt.

"Overtures 3 / Kein Leben ohne Wasser: Annäherungen an einen Wertewandel" verspricht eine brisante Auseinandersetzung der Wertvorstellungen und Kulturen.

Das Rohmaterial sei noch nicht verarbeitet, so Laar, doch können Ausschnitte daraus bereits erlebt werden: Bei "Kunst oder Unfall" mit Augusta und Kalle Laar heute um 21 Uhr im Schlosscafé Fußberg.

Reinhard Palmer